Geschichte unseres Seminars

„ … dass sich gewiss keine andere Universität in Teutschland eines ähnlichen Locals rühmen könnte“
(Bericht des Kurfürstlichen Universitäts-Kuratelamts vom 29. Oktober 1804 über das Jesui­tenkolleg)



Seit 1976 befindet sich das Anglistische Seminar in einem dreige­schossigen Flügel des ehe­maligen Jesuitenkollegs in der Kettengasse, nur etwa 100 Schritte entfernt von der ‚Haupt­schlagader’ der Heidelberger Altstadt, der Hauptstraße.

Im Erdgeschoss des zum Garten hin vorstehenden Gebäudeteils, dem Risalit, dort, wo sich im frühen 18. Jahrhundert Küche und Refektorium des Klosters befanden, ist heute die weiträumige Seminarbibliothek untergebracht, deren Räumlichkeiten auch noch den kreuz­gratüberwölbten Keller umfassen. Die zwischen den Bücherregalen eingestreuten Arbeits­plätze sind vor allem im Hochsommer begehrt, wenn die mächtigen Gewölbe die Studieren­den nicht nur gegen das Stimmengewirr im Eingangsbereich abschirmen, sondern ihnen auch noch eine angenehme Kühle bieten. Nur einmal im Jahr, am Donnerstag der Vorweih­nachtswoche, herrscht hier großes Gedränge, wenn vor stets ausverkauftem Haus die tradi­tionelle Christmas Party stattfindet. Auch die traditionelle Sherry Party, mit der im Frühling und Herbst das neue Semester, Dozenten, Gäste und Freunde des Seminars begrüßt werden, findet hier im Gewölbekeller statt.

Im südlichsten Teil des Erdgeschosses lädt der studentische Aufenthaltsraum, der Common Room, zum Verweilen ein. Hier finden etwa das von der Fachschaft organisierte start/end-of-term breakfast sowie die wöchentliche tea break statt. Auch die Ensembles der Schauspiel­gruppe des Anglistischen Seminars treffen sich hier häufig zu ihren Proben.

Die verhältnismäßig großzügige räumliche Ausstattung des Seminars erlaubt es, dass die Veranstaltungen mit Ausnahme der großen Vorlesungen im Haus stattfinden können. Die Seminarräume, die vor kurzem renoviert wurden und zum Teil mit fest installiertem PC und Beamer ausgestattet sind, befinden sich mehrheitlich im 1. Stock des Hauses. Die Lehrenden, ihre Hilfskräfte und die Sekretariate sind im 2. Stock sowie im ausgebauten Dachgeschoss untergebracht, von dessen Gauben man hofseitig auf die Jesuitenkirche, straßenseitig auf das Schloss blickt. Im Dachgeschoss befindet sich auch der CIP-Pool, ein Arbeitsraum für Stu­dierende mit 14 elektronischen Arbeitsplätzen, sowie die sogenannte „Kapelle“, in der die Dienstbesprechungen und Lehrendenversammlungen stattfinden.

Mit der gegenüber liegenden Jesuiten­kirche, dem Nordflügel des Kollegs und dem Ro­manischen Seminar im Süden umschließt das Anglistische Seminar den Barockgarten, der fast ausschließlich von den Studierenden der beiden neu­philo­logischen Seminare genutzt wird. Im Sommer, wenn außer dem Plätschern des Springbrunnens höchstens gedämpfte Orgelklänge aus der Jesuitenkirche herüber dringen, wähnt man sich hier bisweilen in einem Oxbridge College. Der Barockgarten bildet den Rahmen für die Garden Party, auf der traditi­onell am letzten Veranstaltungstag des Sommersemesters der Abschluss des aka­demischen Jahres mit Bier, Gegrilltem und Fußball gefeiert wird.

Vom Barockgarten aus gelangt man in den Romanischen Keller, in dem die anspruchs­vollen Theater- und Musical-Produktionen der studentischen Schauspielgruppen stattfinden. Wahrscheinlich ist das Anglistische Seminar zusammen mit dem Romanischen Seminar eines der wenigen Institute in Deutschland mit einer eigenen Spielstätte. Zahl und Qualität der studentischen Produktionen erfüllen das Seminar mit großem Stolz; ebenso die Tatsache, dass die bereits 1964 gegründete Schauspielgruppe des Anglistischen Seminars eine der ältesten englischsprachigen Theatergruppen Deutschlands ist. Über die so genannten „Übergreifenden Kompetenzen“ hat das Seminar die Möglichkeit geschaffen, das Engage­ment vor, hinter und auf der Bühne zu fördern und teilweise in das Studium zu integrieren.



Zur Geschichte des Jesuitenkollegs

Von dem ehemaligen Jesuitenkolleg sind neben dem größten Teil des Ostflügels heute noch der Nordflügel, die Jesuiten­kirche sowie Teile des Westflügels erhalten. Das langgestreckte Quartier, das einst im Süden von der Stadtmauer begrenzt wurde und im Norden fast bis zur Hauptstraße reichte, wird im Osten von einer der ältesten und in ihrem Verlauf fast unver­ändert gebliebenen Fluchten abgeschlossen, der Kettengasse, die vor der Errichtung des Je­suitenklosters ‚Alte Lauergasse’ hieß. Ihre Existenz ist bereits für das 14. Jahrhundert ur­kundlich belegt. Die historische Bedeutung der Kettengasse ist darin zu sehen, dass sie über das Kettentor - so genannt wegen eines bei dem Tor gelegenen Kettenbrunnens - in der süd­lichen Stadtmauer die einzige Verbindung zwischen Talstadt und Bergstadt (am Schloss) dar­stellte.

Vom ehemals 124 m langen Ostflügel des Jesuitenkollegs an der Kettengasse ist der größte Abschnitt (ca. 104 Meter) erhalten geblieben. Sein weitaus größter, südlicher Teil ist Eigentum des Landes und beherbergt heute das Anglistische Seminar. Die übrigen erhalten gebliebenen Teile des Quartiers befinden sich im Besitz der katholischen Kirche und werden von der Pfarrgemeinde Heilig Geist genutzt.

Die Planungen für das Jesuitenkolleg, ein Hort der Pfälzer Gegenreformation, gehen in das späte 17. Jahrhundert zurück. Nach Brand und Zerstörung Heidelbergs (1693) durch die Franzosen im französisch-pfälzischen Erbfolgekrieg forderte Kurfürst Johann Wil­helm, der einer katholischen Seitenlinie der Wittelsbacher entstammte, die 1648 geflohenen Jesuiten im Rahmen des Wiederaufbaus der Stadt zu Rückkehr und Gründung eines Kollegi­ums für die „niederen und höheren Studien“ auf. Nach mehreren Grundstückskäufen, darun­ter ein zusammenhängendes Gelände zwischen Heugasse und Kettengasse, gingen die Jesui­ten an die Planung des Kollegs. Bald stellte sich heraus, dass der vorhandene Bauplatz nicht ausreichend war. In Verhandlungen mit der kurpfälzischen Regierung beanspruchte man eine deutliche Vergrößerung des Geländes nach Westen zur Augustinergasse hin, wo die Universität (deren Gebäude ebenfalls zerstört waren) zentrale Grundstücke besaß. Nach län­gerer Auseinandersetzung mit der Universität, die gerade (1700) aus dem Frankfurter Exil über Weinheim nach Heidelberg zurückgekehrt war, gingen die Patres, die den Kurfürsten auf ihrer Seite wussten, schließlich als eindeutiger Punktsieger aus dem Streit. Die heutige Bebauung zeigt, dass die Jesuiten Teile zentraler Universitätsgrundstücke erhielten und da­rüber hinaus das von der Universität bereits gekaufte Gelände nach Süden hin bis zur Stadt­mauer (an der heutigen Seminarstraße) verlängern konnten. Die Grundstein­legung erfolgte 1703. Den Plan entwarf der Architekt Johann Adam Breunig (um 1660-1727) und der Kur­fürst stellte schließlich die wichtigsten Baustoffe zur Verfügung: Steine aus dem zerstörten „Dicken Turm“ des Schlosses sowie Sand aus dem Stadtgraben. Spätestens mit dem Einzug der Jesuiten, die zunehmend in die wichtigen Professuren drängten, hatte 1705 die weitge­hende Rekatholisierung der humanistisch-protestantisch geprägten Universität begonnen. 1711, als die Arbeiten am Kollegien­gebäude abgeschlossen waren, wurden die Arbeiten an der Jesuitenkirche (vollendet erst 1759) aufgenommen. Wieder überbauten die Jesuiten, die sich inzwischen als Teil der Universität und damit als Mitbesitzer der Universitätsgrundstü­cke betrachteten, gegen den Widerstand der verbliebenen reformierten Professoren einen Teil des Universitätsbesitzes. In den Jahren 1715-17 erfolgte der Bau des benachbarten Je­suitengymnasiums in der Augustinergasse (bis 1976 Domizil des Anglistischen Seminars), der sog. schola inferiores für die 12-14jährigen Zöglinge der Jesuiten. Der weitere Bildungsweg (die sog. „höheren Studien“) führte die Jesuitenschüler dann ins Seminarium Carolinum. Die­ses wurde in der Zeit zwischen 1750 und 1765 erbaut und nach Karl Borromäus, einem Füh­rer der Gegenreformation, benannt. Nach einer wechselvollen Geschichte ist es heute Sitz der Universitäts­verwaltung. Der Thesaurus Palatinus notiert 1732-34 als offizielles Vollen­dungsdatum des Kollegs, in dessen Blütezeit Mitte des 18. Jahrhunderts ca. 100 Jesuiten im Kollegiengebäude lebten und arbeiteten.

Mit der Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. (1773) beginnt die wechselvolle Periode der Fremd­nutzung des Kollegs. 1781 übernahmen zunächst die Lazaris­ten die Geschäfte der Jesuiten. Nach der Auflösung der Kongregation wurde das Kolleg für mi­litärische Zwecke, als Magazin, Getreide­lager und Lazarett, später zum Teil als Gefängnis, dann als Kaserne für die pfälzischen und badischen Truppen genutzt. Während die Universi­tät ständig ihren Anspruch auf das Kolleg erneuerte, gar in der Jesuitenkirche die Universi­tätsbibliothek unterbringen wollte, stritten sich auch Kirche, Stadt und Militär um das Ge­bäude. Mit der Entscheidung der Großherzoglich-Badischen Regierung, die Jesuitenkirche zur Katholischen Pfarrkirche zu erklären (1808), hatte die Universität das Nachsehen. Während der nördliche Flügel zum Pfarrhaus wurde, wurden Süd- und Ostflügel zur Versteigerung frei­gegeben. Die Stadt erwarb den Südflügel, um dort ein Pritschenhaus einzurichten. Der Ost­flügel und der Garten wurden in verschiedene Parzellen aufgeteilt und an Privatleute verstei­gert. Einen Teil erwarb der Sprach­meister Brocalassi. Nach Rückkauf der versteigerten Par­zellen durch die Stadt wurde 1835 im Kettengassenflügel die Höhere Bürgerschule eingerich­tet, die nach diversen Schulreformen und Erweiterungen als Realschule, Oberrealschule mit Realgymnasium zu einer beschränkten Hochschulreife führte. 1944 dienten die Keller des Ostflügels als Luft­schutzraum. Nach Ende des 2. Weltkriegs wurden Oberrealschule und Re­algymnasium zum Helmholtzgymnasium umbenannt. Da dieses bald aus den Nähten platzte, wurd 1960 der Abriss des Ostflügels und ein Neubau am selben Ort erwogen, glücklicher­weise aber vom Hochbauamt zurück­gewiesen. 1969 wurde das Helmholtzgymnasium in die Rohrbacher Straße verlegt. Nach umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten zog die Anglistik 1976 in den Ostflügel des Jesuitenkollegs.

Zusammen mit dem auf dem ehemaligen Südflügel des Kollegs 1847 erbauten Ge­bäude, das heute das Romanische Seminar beherbergt, umschließen die ehemaligen Klos­tergebäude die einstige Kloster­garten­anlage. Auf ihrem Grund, der dem Helmholtz-Gymna­sium und seinen Vorgängern als Schulhof diente, wurde im Rahmen der Sanierungs­arbeiten zu Beginn der 1970er Jahre eine barocke Garten­anlage rekonstruiert, die auf die Architektur des Jesuitenkollegs Bezug nimmt. Sie besteht aus drei rechtwinkligen, leicht erhöhten Ra­senflächen mit viertelkreisförmig eingezogenen Ecken, die von breiten Kieswegen umfasst sind. Schmale Wege und Buchsbaumhecken umsäumen und vierteln die Grünflächen. In der mittleren Grünfläche wird die Wegkreuzung durch einen niedrigen, runden Springbrunnen aus Rotsandstein unterbrochen, der Barockgarten und Jesuitenkolleg optisch zusammenhält.



Die Geschichte der Anglistik in Heidelberg

Die Wurzeln der akademischen Anglistik in Deutschland reichen zum Teil bis in das späte 17. Jahrhundert zurück, als so genannte Sprachmeister sich – oft über Vermittlung der Kurfürs­ten – bei den Universitäten verdingten, um dort sprachpraktischen Unterricht zu erteilen. Einer der Heidelberger Sprachmeister, ein gewisser Louis Brocalassi oder Prucalassi, erstand im Rahmen der Versteigerung im Jahre 1809 eine der Parzellen des Jesuitenkollegs. Bei die­sem ersten Neuphilologen in der Kettengasse handelte es sich vermutlich um denselben Brocalassi, bei dem Eichendorff sein Italienisch lernte (cf. Dyroff 1933; GBA Heidelberg für das Jahr 1809; Gantner 1988: 27).

Fach- und lehrstuhlgeschichtlich betrachtet, geht die Entstehung der Anglistik in Deutschland entweder auf die Germanische Philologie oder auf die Neuphilologie zurück. Die Germanistik war im 19. Jahrhundert ein in sich geschlossenes und etabliertes Fach und wurde seit 1852 als Lehrfach in Heidelberg angeboten. Die Neuphilologie andererseits ent­stand durch Abspaltung von der nun ‚Altphilologie’ genannten (klassischen) Philologie (in Heidelberg gab es seit 1807 ein Philologisches Seminar) und umfasste häufig nur das Engli­sche und die romanischen Sprachen.1 Entsprechend lautete die venia legendi der Professo­ren, die im 19. Jahrhundert (u.a.) Englische Philologie lehrten, meistens „Neuere Sprachen“ oder „Germanische Philologie“. Solange sich also nicht eigenständige Englische Seminare herausgebildet hatten – in Heidelberg war das erst 1924 der Fall – war die Zuordnung des Faches unklar und sein Status entsprechend unsicher: philologisch-sprachgeschichtlich ge­hörte es zweifellos zur germanischen Philologie: „Wer englische Philologie studirt, ist Ger­manist“, schreibt Körting (1888: 34), und die Heidelberger Philosophische Fakultät notierte nur zwei Jahre später, die Englische Philologie sei ein „Hülfsfach der Germanischen Philologie“, dem es im übrigen an „Bedeutung und Breite“ fehle, „um allein für sich das volle Lehrfach eines Ordinarius zu bilden“.
Auf der anderen Seite bildete das Englische bildungshistorisch mit dem in der neuhumanistischen Tradition weitaus angeseheneren Französischen den Kern der „Neueren Sprachen“, die sich in Schule und Universität gegen die klassischen Sprachen zu behaupten begannen. In der Philosophischen Fakultät der Hei­delberger Universität des 19. Jahr­hunderts wurden beide Traditionslinien im 1873 von Karl Bartsch gegründeten Seminar für Neuere Sprachen (ab 1878 ‚Germanisch-Romanisches Se­minar‘) zusammengefasst und waren auch personal kaum zu trennen. Karl Bartsch, der in Rostock 1858 das erste Germanistische Seminar an einer deutschen Universität gegründet hatte, war seit 1871 in Heidelberg Professor für Germanische und Romanische Philologie und hielt als solcher auch Vorlesungen in Englischer Philologie.

Wie die Germanische Philologie hatte es die „Neuphilologie“ allerdings zunächst nicht, wie man heute meinen könnte, mit den „neueren Sprachen“, sondern vielmehr mit dem Studium von alten Texten zu tun. Gemeint sind Texte, die in Sprachen verfasst waren, die von den zeit­genössischen Sprechern dieser Sprachen nicht mehr verstanden werden konnten. „Alt“ im Sinne der Germanischen Philologie war lediglich das „Altsächsische“ (Alt­englische), während bereits das Mittelenglische als das nur „Halbsächsische“ zumindest in den germanisch orientierten Seminaren lange nicht in die Lehrpläne aufgenommen wurde.

Obwohl die erste rein anglistische Habilitationsschrift in Heidelberg von einem Engländer na­mens Thomas Gaspey bereits 1850 verfasst wurde, sollte bis zur Etablierung einer eigen­ständigen Anglistik noch mehr als ein halbes Jahrhundert vergehen. In den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts las der Germanist und Indologe Adolph Holtzmann über das „Angel­sächsische“. Auch Shakespeare, der lange vor seiner anglistischen-akademischen Re­zeption in Deutschland erläutert und übersetzt war, wurde ab der Jahrhundertmitte zuneh­mend gelesen, wenn auch in der Regel von Nicht-Anglisten.

In den frühen 70er Jahren gründete Karl Bartsch, der Ordinarius für germanische und altro­manische Sprachen und Literatur, der auch Robert Burns über­setzte, ein Seminar für Neuere Sprachen, das ab 1878 den Namen ‚Germanisch-Romanisches Seminar’ trug. Das Englische wurde dem klassischen Philologen Wilhelm Ihne (zunächst als Lektor, ab 1873 als Extraordinarius) übertragen, der vierzehn Jahre in Liverpool eine Privatschule geleitet hatte. Englische Sprachgeschichte wurde bis 1893 noch von Karl Bartsch gelehrt, später vom Germanisten Otto Behaghel und von Fried­rich Neumann, der 1882 ein Extraordinariat für Romanistik und Anglistik übernahm. Nach dem Tode von Bartsch allerdings wurde dessen nunmehr ausschließlich für Romanistik ausge­wiesener Lehrstuhl auf Neumann übertragen. Erst mit Josef Schick, 1894 zum Engli­schen Extraordinarius ernannt, wurde das Englische planmäßiges wissen­schaftliches Universi­tätsfach in Heidelberg. Nach der Berufung Schicks nach München trat 1896 Johannes Hoops die Nachfolge an und wurde 1902 erster Ordinarius für Englische Philologie in Heidelberg.

Erst mit Hoops ist die Anglistik in Heidelberg etabliert, wenn auch zunächst nur als Fach innerhalb des Germanisch-Romanischen Seminars. Sie ruhte für lange Zeit auf wenigen Schultern: Wie bei fast allen anderen Anglistiken des frühen 20. Jahrhunderts bestand der Lehrkörper aus einem Ordinarius, der Sprach-und Literaturgeschichte gleichermaßen bediente, sowie einem Lektor, der nun regelmäßig englischer Muttersprachler war, zugleich aber die Aufgaben eines Assistenten wahrnahm. Eine wissenschaftliche Hilfskraft, der sog. Fa­mulus, der dem Ordinarius in Zeiten ohne Sekretariate und Bibliothekare administrativ und bibliothekarisch zuarbeitete, vervollständigte die Personalausstattung des Fachs. Erst 1941 kamen eine Assistenten­stelle und eine zweite Lektorenstelle hinzu. Zu dieser Zeit zählte die Heidelberger Anglistik ca. 100 Studierende.

Unter Johannes Hoops erlebte die Heidelberger Anglistik einen enormen Aufschwung. Hoops war ein international angesehener Gelehrter, Begründer des Reallexikons der germa­nischen Altertumskunde (mit ca. 100 eigenen Beiträgen) und jahrzehntelanger Herausgeber der Anglistischen Forschungen, der Englischen Textbibliothek und der Englischen Studien. Hoops erfuhr zahlreiche Ehrungen, war Dekan und Rektor der Universität und Mitglied ver­schiedener nationaler und internationaler Akademien. Er betreute 75 Disser­tationen, war bei Studierenden und Kollegen gleichermaßen geachtet, engagierte sich in seinen akademi­schen Funktionen und als Privatmann Zeit seines Lebens für die deutsch-amerikanischen Beziehungen und führte das Institut zu internationaler Anerkennung.

Hoops‘ Emeritierung fiel in die Zeit der nationalsozialistischen ‚Machter­greifung‘. Er selbst war - anders als sein Sohn Reinald, der sich in Freiburg habilitierte - der Infiltrierung mit nationalsozialistischem Gedankengut völlig unverdächtig: weder in seinen eigenen Arbei­ten noch in den Dissertationen seiner Schüler, die er bis in die späten 40er Jahre betreute, ist eine Anpassung an die nationalsozialistischen Erwartungen einer rassisch-völkisch orientier­ten Philologie zu erkennen.

Sein Nachfolger, Harro de Wet Jensen (1901-1999), war bei seiner Berufung 1936, die gegen den Willen der Fakultät erfolgte, bereits seit vier Jahren in der NSDAP in verschiede­nen Funktionen aktiv. Zwar wurden ihm Geschick in der Verwaltung und auch eine gewisse Begeisterungsfähigkeit in der Lehre attestiert, aber schon seine Habilitationsschrift, in der Hitler in einem Atemzug mit Shakespeare genannt wird, entlarvt Jensen als einen Opportu­nisten. Man wird ihm wohl nicht Unrecht tun, wenn man feststellt, dass seine häufige Abwe­senheit - ab 1939 dann im sog. ‚Kriegseinsatz‘ der Anglisten - größeren Schaden vom Anglis­tischen Seminar fernhielt. Johannes Hoops, der sich ansonsten loyal zu seinem Nachfolger verhielt, vertrat Jensen in diesen Perioden, wann immer es seine rege internationale Vor­tragstätigkeit erlaubte. Hoops konnte allerdings nicht verhindern, dass die Anglistin Helene Richter, eine Wiener Jüdin, der 1931 auf sein Betreiben hin die Ehrendoktorwürde der Uni­versität Heidelberg verliehen wurde, 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde.

Kurz nach Kriegsende wurde Jensen aus dem Universitätsdienst entlassen, auch wenn er noch lange später um seinen Lehrstuhl kämpfte. Hoops musste daraufhin noch einmal, mit nunmehr 80 Jahren, vorübergehend die Seminarleitung über­nehmen. Nach langen fakul­täts­internen Kämpfen trat schließlich Hermann Flasdieck (der als Sprachwissen­schaftler unum­stritten war) seine Nachfolge an. Flasdieck, der 1946 auf den Lehrstuhl berufen wurde, war freilich nicht unbelastet und so ging auch die Heidelberger Anglistik mit einer Hypothek in die Nachkriegsjahre.

Erst mit den Berufungen der 60er Jahre gelingt dem Anglistischen Seminar ein Neuan­fang. Unter diesen hat der von Flasdieck nach Heidelberg geholte Rudolf Süh­nel, der noch mit Ezra Pound und I. A. Richards bekannt war, zweifellos die nachhaltigste Wirkung entfal­tet. Geboren in Nottingham und damit in England und Deutschland biogra­phisch gleicher­maßen verwurzelt, vertrat Sühnel eine Anglistik, die sich in der Kultur der An­tike aufgehoben wusste. Obwohl bereits 1972 emeritiert, war der allseits geachtete Doyen der Heidelberger Anglistik bis zu seinem Ableben - kurz vor seinem 100. Geburtstag im Jahre 2007 - in Univer­si­tät und Institut präsent.

Mit den 60er Jahren setzte allgemein eine Periode des Ausbaus, der Binnendifferenzie­rung und der Ausweitung des Gegenstandsbereichs der Englischen Philologie ein, die bis heute anhält. Zunächst wurden sprach­wissenschaftliche und literaturwissenschaftliche Lehre und Forschung getrennt, wenngleich die philologische Gleichberechtigung von Text und Sprache in Heidelberg zunächst in einer stark mediävistisch ausgeprägten anglistischen Linguistik nachlebte und auch später nie vollständig aufgegeben wurde. Innerhalb der Sprachwis­senschaft erlebte die moderne Sprachwissenschaft unter dem Einfluss strukturalistischer Theoriebildung einen enormen Aufschwung. Zugleich entwickelten moderne und historische Sprachwissenschaft zunehmend ein eigen­ständiges Fach- und Methodenbewusstsein, wobei sich in letzter Zeit überall die Anzeichen mehren, dass zumindest diese Spaltung wieder überwunden werden könnte. In der Literaturwissenschaft ist zunächst die Ausgliederung der Amerikanistik aus der Anglistik zu verzeichnen. In der Folgezeit geraten mehr und mehr neu­ere englische Literaturen in den geographischen Horizont der Anglistik. Diese Literaturen, die zunächst unter dem Terminus Commonwealth Literature zusammengefasst wurden, werden heute meistens neutraler und zutreffender als New English Literatures bezeichnet. Zugleich werden verstärkt kulturwissenschaftliche Themen und Perspektiven in die Literaturwissen­schaft integriert. Die radikale Bolognisierung der Universitäten mit ihren neuen, spezialisierteren Studiengängen wird den Prozess der Zergliederung einer sich immer mehr als ‚Weltanglistik’ verstehenden Disziplin vermutlich noch beschleunigen. Wohin er führen wird, ist bislang noch nicht abzusehen.

Heute hat das Anglistische Seminar zwei sprachwissenschaftliche sowie drei literatur­wissenschaftliche Lehrstühle, davon einen mit amerikanistischem Schwerpunkt.





http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/hd/stadt/jesuiten1.htm

1

Ihren bildungspolitischen Reflex findet diese unklare Zuordnung etwa dadurch, dass Leh­rer mit der Fächerkombination Englisch und Französisch noch lange nach dem 2. Weltkrieg als Neuphilologen geführt wurden, während solche mit Englisch und Deutsch als Germanis­ten oder Historiker galten (Finkenstaedt 1999: 392).

Urheberrecht der Fotografien

Für die Fotos der Professoren Hoops, Jensen, Flasdieck sowie des Universitätsviertels der 1990er Jahre liegen die urheberrechtlichen Nutzungsrechte beim Universitätsarchiv der Universität Heidelberg.

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