„ … dass sich gewiss keine andere Universität in Teutschland eines ähnlichen Locals rühmen könnte“
(Bericht des Kurfürstlichen Universitäts-Kuratelamts vom 29. Oktober 1804 über das Jesuitenkolleg)
Im Erdgeschoss des zum Garten hin
vorstehenden Gebäudeteils, dem Risalit, dort, wo sich im frühen 18.
Jahrhundert Küche und Refektorium des Klosters befanden, ist heute
die weiträumige Seminarbibliothek untergebracht, deren
Räumlichkeiten auch noch den kreuzgratüberwölbten Keller
umfassen. Die zwischen den Bücherregalen eingestreuten
Arbeitsplätze sind vor allem im Hochsommer begehrt, wenn die
mächtigen Gewölbe die Studierenden nicht nur gegen das
Stimmengewirr im Eingangsbereich abschirmen, sondern ihnen auch noch
eine angenehme Kühle bieten. Nur einmal im Jahr, am Donnerstag der
Vorweihnachtswoche, herrscht hier großes Gedränge, wenn vor
stets ausverkauftem Haus die traditionelle Christmas Party
stattfindet. Auch die traditionelle Sherry Party, mit der im
Frühling und Herbst das neue Semester, Dozenten, Gäste und Freunde
des Seminars begrüßt werden, findet hier im Gewölbekeller statt.
Im südlichsten Teil des
Erdgeschosses lädt der studentische Aufenthaltsraum, der Common
Room, zum Verweilen ein. Hier finden etwa das von der Fachschaft
organisierte start/end-of-term breakfast sowie die
wöchentliche tea break statt. Auch die Ensembles der
Schauspielgruppe des Anglistischen Seminars treffen sich hier
häufig zu ihren Proben.
Die verhältnismäßig großzügige räumliche Ausstattung des Seminars erlaubt es, dass die Veranstaltungen mit Ausnahme der großen Vorlesungen im Haus stattfinden können. Die Seminarräume, die vor kurzem renoviert wurden und zum Teil mit fest installiertem PC und Beamer ausgestattet sind, befinden sich mehrheitlich im 1. Stock des Hauses. Die Lehrenden, ihre Hilfskräfte und die Sekretariate sind im 2. Stock sowie im ausgebauten Dachgeschoss untergebracht, von dessen Gauben man hofseitig auf die Jesuitenkirche, straßenseitig auf das Schloss blickt. Im Dachgeschoss befindet sich auch der CIP-Pool, ein Arbeitsraum für Studierende mit 14 elektronischen Arbeitsplätzen, sowie die sogenannte „Kapelle“, in der die Dienstbesprechungen und Lehrendenversammlungen stattfinden.
Mit der gegenüber liegenden
Jesuitenkirche, dem Nordflügel des Kollegs und dem Romanischen
Seminar im Süden umschließt das Anglistische Seminar den
Barockgarten, der fast ausschließlich von den Studierenden der
beiden neuphilologischen Seminare genutzt wird. Im Sommer, wenn außer
dem Plätschern des Springbrunnens höchstens gedämpfte Orgelklänge
aus der Jesuitenkirche herüber dringen, wähnt man sich hier
bisweilen in einem Oxbridge College. Der Barockgarten bildet den
Rahmen für die Garden Party, auf der traditionell am
letzten Veranstaltungstag des Sommersemesters der Abschluss des
akademischen Jahres mit Bier, Gegrilltem und Fußball gefeiert wird.
Vom Barockgarten aus gelangt man in den Romanischen Keller, in dem die anspruchsvollen Theater- und Musical-Produktionen der studentischen Schauspielgruppen stattfinden. Wahrscheinlich ist das Anglistische Seminar zusammen mit dem Romanischen Seminar eines der wenigen Institute in Deutschland mit einer eigenen Spielstätte. Zahl und Qualität der studentischen Produktionen erfüllen das Seminar mit großem Stolz; ebenso die Tatsache, dass die bereits 1964 gegründete Schauspielgruppe des Anglistischen Seminars eine der ältesten englischsprachigen Theatergruppen Deutschlands ist. Über die so genannten „Übergreifenden Kompetenzen“ hat das Seminar die Möglichkeit geschaffen, das Engagement vor, hinter und auf der Bühne zu fördern und teilweise in das Studium zu integrieren.
Von dem ehemaligen Jesuitenkolleg sind neben dem größten Teil des Ostflügels heute noch der Nordflügel, die Jesuitenkirche sowie Teile des Westflügels erhalten. Das langgestreckte Quartier, das einst im Süden von der Stadtmauer begrenzt wurde und im Norden fast bis zur Hauptstraße reichte, wird im Osten von einer der ältesten und in ihrem Verlauf fast unverändert gebliebenen Fluchten abgeschlossen, der Kettengasse, die vor der Errichtung des Jesuitenklosters ‚Alte Lauergasse’ hieß. Ihre Existenz ist bereits für das 14. Jahrhundert urkundlich belegt. Die historische Bedeutung der Kettengasse ist darin zu sehen, dass sie über das Kettentor - so genannt wegen eines bei dem Tor gelegenen Kettenbrunnens - in der südlichen Stadtmauer die einzige Verbindung zwischen Talstadt und Bergstadt (am Schloss) darstellte.
Vom ehemals 124 m langen Ostflügel des Jesuitenkollegs an der Kettengasse ist der größte Abschnitt (ca. 104 Meter) erhalten geblieben. Sein weitaus größter, südlicher Teil ist Eigentum des Landes und beherbergt heute das Anglistische Seminar. Die übrigen erhalten gebliebenen Teile des Quartiers befinden sich im Besitz der katholischen Kirche und werden von der Pfarrgemeinde Heilig Geist genutzt.
Die Planungen für das Jesuitenkolleg, ein Hort der Pfälzer Gegenreformation,
gehen in das späte 17. Jahrhundert zurück.
Nach Brand und Zerstörung Heidelbergs (1693) durch die Franzosen im
französisch-pfälzischen Erbfolgekrieg forderte Kurfürst Johann
Wilhelm, der einer katholischen Seitenlinie der Wittelsbacher
entstammte, die 1648 geflohenen Jesuiten im Rahmen des Wiederaufbaus
der Stadt zu Rückkehr und Gründung eines Kollegiums für die
„niederen und höheren Studien“ auf. Nach mehreren
Grundstückskäufen, darunter ein zusammenhängendes Gelände
zwischen Heugasse und Kettengasse, gingen die Jesuiten an die
Planung des Kollegs. Bald stellte sich heraus, dass der vorhandene
Bauplatz nicht ausreichend war. In Verhandlungen mit der
kurpfälzischen Regierung beanspruchte man eine deutliche
Vergrößerung des Geländes nach Westen zur Augustinergasse hin, wo
die Universität (deren Gebäude ebenfalls zerstört waren) zentrale
Grundstücke besaß. Nach längerer Auseinandersetzung mit der
Universität, die gerade (1700) aus dem Frankfurter Exil über
Weinheim nach Heidelberg zurückgekehrt war, gingen die Patres, die
den Kurfürsten auf ihrer Seite wussten, schließlich als eindeutiger
Punktsieger aus dem Streit. Die heutige Bebauung zeigt, dass die
Jesuiten Teile zentraler Universitätsgrundstücke erhielten und
darüber hinaus das von der Universität bereits gekaufte
Gelände nach Süden hin bis zur Stadtmauer (an der heutigen
Seminarstraße) verlängern konnten. Die Grundsteinlegung erfolgte
1703. Den Plan entwarf der Architekt Johann Adam Breunig (um
1660-1727) und der Kurfürst stellte schließlich die
wichtigsten Baustoffe zur Verfügung: Steine aus dem zerstörten
„Dicken Turm“ des Schlosses sowie Sand aus dem Stadtgraben.
Spätestens mit dem Einzug der Jesuiten, die zunehmend in die
wichtigen Professuren drängten, hatte 1705 die weitgehende
Rekatholisierung der humanistisch-protestantisch geprägten
Universität begonnen. 1711, als die Arbeiten am Kollegiengebäude
abgeschlossen waren, wurden die Arbeiten an der Jesuitenkirche
(vollendet erst 1759) aufgenommen. Wieder überbauten die Jesuiten,
die sich inzwischen als Teil der Universität und damit als
Mitbesitzer der Universitätsgrundstücke betrachteten, gegen
den Widerstand der verbliebenen reformierten Professoren einen Teil
des Universitätsbesitzes. In den Jahren 1715-17 erfolgte der Bau des
benachbarten Jesuitengymnasiums in der Augustinergasse (bis 1976
Domizil des Anglistischen Seminars), der sog. schola
inferiores
für die 12-14jährigen Zöglinge der Jesuiten. Der weitere
Bildungsweg (die sog. „höheren Studien“) führte die
Jesuitenschüler dann ins Seminarium
Carolinum.
Dieses wurde in der Zeit zwischen 1750 und 1765 erbaut und nach
Karl Borromäus, einem Führer der Gegenreformation, benannt.
Nach einer wechselvollen Geschichte ist es heute Sitz der
Universitätsverwaltung. Der Thesaurus
Palatinus
notiert 1732-34 als offizielles Vollendungsdatum des Kollegs, in
dessen Blütezeit Mitte des 18. Jahrhunderts ca. 100 Jesuiten im
Kollegiengebäude lebten und arbeiteten.
Mit der
Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. (1773) beginnt
die wechselvolle Periode der Fremdnutzung des Kollegs. 1781
übernahmen zunächst die Lazaristen die Geschäfte der
Jesuiten. Nach der Auflösung der Kongregation wurde das Kolleg für
militärische Zwecke, als Magazin, Getreidelager und Lazarett,
später zum Teil als Gefängnis, dann als Kaserne für die
pfälzischen und badischen Truppen genutzt. Während die Universität
ständig ihren Anspruch auf das Kolleg erneuerte, gar in der
Jesuitenkirche die Universitätsbibliothek unterbringen wollte,
stritten sich auch Kirche, Stadt und Militär um das Gebäude.
Mit der Entscheidung der Großherzoglich-Badischen Regierung, die
Jesuitenkirche zur Katholischen Pfarrkirche zu erklären (1808), hatte
die Universität das Nachsehen. Während der nördliche Flügel zum
Pfarrhaus wurde, wurden Süd- und Ostflügel zur Versteigerung
freigegeben. Die Stadt erwarb den Südflügel, um dort ein
Pritschenhaus einzurichten. Der Ostflügel und der Garten wurden
in verschiedene Parzellen aufgeteilt und an Privatleute versteigert.
Einen Teil erwarb der Sprachmeister Brocalassi. Nach Rückkauf der
versteigerten Parzellen durch die Stadt wurde 1835 im
Kettengassenflügel die Höhere Bürgerschule eingerichtet, die
nach diversen Schulreformen und Erweiterungen als Realschule,
Oberrealschule mit Realgymnasium zu einer beschränkten
Hochschulreife führte. 1944 dienten die Keller des Ostflügels als
Luftschutzraum. Nach Ende des 2. Weltkriegs wurden Oberrealschule und
Realgymnasium zum Helmholtzgymnasium umbenannt. Da dieses bald
aus den Nähten platzte, wurd 1960 der Abriss des Ostflügels und ein
Neubau am selben Ort erwogen, glücklicherweise aber vom
Hochbauamt zurückgewiesen. 1969 wurde das Helmholtzgymnasium in die
Rohrbacher Straße verlegt. Nach umfangreichen Umbau- und
Sanierungsarbeiten zog die Anglistik 1976 in den Ostflügel des
Jesuitenkollegs.
Zusammen mit dem auf dem ehemaligen Südflügel des Kollegs 1847 erbauten Gebäude, das heute das Romanische Seminar beherbergt, umschließen die ehemaligen Klostergebäude die einstige Klostergartenanlage. Auf ihrem Grund, der dem Helmholtz-Gymnasium und seinen Vorgängern als Schulhof diente, wurde im Rahmen der Sanierungsarbeiten zu Beginn der 1970er Jahre eine barocke Gartenanlage rekonstruiert, die auf die Architektur des Jesuitenkollegs Bezug nimmt. Sie besteht aus drei rechtwinkligen, leicht erhöhten Rasenflächen mit viertelkreisförmig eingezogenen Ecken, die von breiten Kieswegen umfasst sind. Schmale Wege und Buchsbaumhecken umsäumen und vierteln die Grünflächen. In der mittleren Grünfläche wird die Wegkreuzung durch einen niedrigen, runden Springbrunnen aus Rotsandstein unterbrochen, der Barockgarten und Jesuitenkolleg optisch zusammenhält.
Die Wurzeln der akademischen Anglistik in Deutschland reichen zum Teil bis in das späte 17. Jahrhundert zurück, als so genannte Sprachmeister sich – oft über Vermittlung der Kurfürsten – bei den Universitäten verdingten, um dort sprachpraktischen Unterricht zu erteilen. Einer der Heidelberger Sprachmeister, ein gewisser Louis Brocalassi oder Prucalassi, erstand im Rahmen der Versteigerung im Jahre 1809 eine der Parzellen des Jesuitenkollegs. Bei diesem ersten Neuphilologen in der Kettengasse handelte es sich vermutlich um denselben Brocalassi, bei dem Eichendorff sein Italienisch lernte (cf. Dyroff 1933; GBA Heidelberg für das Jahr 1809; Gantner 1988: 27).
Fach- und
lehrstuhlgeschichtlich betrachtet, geht die Entstehung der Anglistik
in Deutschland entweder auf die Germanische Philologie oder auf die
Neuphilologie zurück. Die Germanistik war im 19. Jahrhundert ein in
sich geschlossenes und etabliertes Fach und wurde seit 1852 als
Lehrfach in Heidelberg angeboten. Die Neuphilologie andererseits
entstand durch Abspaltung von der nun ‚Altphilologie’
genannten (klassischen) Philologie (in Heidelberg gab es seit 1807
ein Philologisches Seminar) und umfasste häufig nur das Englische
und die romanischen Sprachen.1
Entsprechend lautete die venia
legendi
der Professoren, die im 19. Jahrhundert (u.a.) Englische
Philologie lehrten, meistens „Neuere Sprachen“ oder „Germanische
Philologie“. Solange sich also nicht eigenständige Englische
Seminare herausgebildet hatten – in Heidelberg war das erst 1924
der Fall – war die Zuordnung des Faches unklar und sein Status
entsprechend unsicher: philologisch-sprachgeschichtlich gehörte
es zweifellos zur germanischen Philologie: „Wer englische
Philologie studirt, ist Germanist“, schreibt Körting (1888:
34), und die Heidelberger Philosophische Fakultät notierte nur zwei
Jahre später, die Englische Philologie sei ein „Hülfsfach der
Germanischen Philologie“, dem es im übrigen an „Bedeutung und
Breite“ fehle, „um allein für sich das volle Lehrfach eines
Ordinarius zu bilden“.
Auf der anderen Seite bildete das Englische bildungshistorisch mit
dem in der neuhumanistischen Tradition weitaus angeseheneren
Französischen den Kern der „Neueren Sprachen“, die sich in
Schule und Universität gegen die klassischen Sprachen zu behaupten
begannen. In der Philosophischen Fakultät der Heidelberger
Universität des 19. Jahrhunderts wurden beide Traditionslinien im
1873 von Karl Bartsch gegründeten Seminar für Neuere Sprachen (ab
1878 ‚Germanisch-Romanisches Seminar‘) zusammengefasst und
waren auch personal kaum zu trennen. Karl Bartsch, der in Rostock
1858 das erste Germanistische Seminar an einer deutschen Universität
gegründet hatte, war seit 1871 in Heidelberg Professor für
Germanische und Romanische Philologie und hielt als solcher auch
Vorlesungen in Englischer Philologie.
Wie die Germanische Philologie hatte es die „Neuphilologie“ allerdings zunächst nicht, wie man heute meinen könnte, mit den „neueren Sprachen“, sondern vielmehr mit dem Studium von alten Texten zu tun. Gemeint sind Texte, die in Sprachen verfasst waren, die von den zeitgenössischen Sprechern dieser Sprachen nicht mehr verstanden werden konnten. „Alt“ im Sinne der Germanischen Philologie war lediglich das „Altsächsische“ (Altenglische), während bereits das Mittelenglische als das nur „Halbsächsische“ zumindest in den germanisch orientierten Seminaren lange nicht in die Lehrpläne aufgenommen wurde.
Obwohl die erste rein anglistische Habilitationsschrift in Heidelberg von einem Engländer namens Thomas Gaspey bereits 1850 verfasst wurde, sollte bis zur Etablierung einer eigenständigen Anglistik noch mehr als ein halbes Jahrhundert vergehen. In den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts las der Germanist und Indologe Adolph Holtzmann über das „Angelsächsische“. Auch Shakespeare, der lange vor seiner anglistischen-akademischen Rezeption in Deutschland erläutert und übersetzt war, wurde ab der Jahrhundertmitte zunehmend gelesen, wenn auch in der Regel von Nicht-Anglisten.
In den frühen 70er Jahren gründete
Karl Bartsch, der Ordinarius für germanische und altromanische
Sprachen und Literatur, der auch Robert Burns übersetzte, ein
Seminar für Neuere Sprachen, das ab 1878 den Namen
‚Germanisch-Romanisches Seminar’ trug. Das Englische wurde
dem klassischen Philologen Wilhelm Ihne (zunächst als Lektor, ab 1873 als Extraordinarius)
übertragen, der vierzehn Jahre in Liverpool eine Privatschule geleitet hatte.
Englische Sprachgeschichte wurde bis 1893 noch von Karl
Bartsch gelehrt, später vom Germanisten Otto Behaghel und von
Friedrich Neumann, der 1882 ein Extraordinariat für Romanistik
und Anglistik übernahm. Nach dem Tode von Bartsch allerdings wurde
dessen nunmehr ausschließlich für Romanistik ausgewiesener
Lehrstuhl auf Neumann übertragen. Erst mit Josef Schick, 1894 zum
Englischen Extraordinarius ernannt, wurde das Englische
planmäßiges wissenschaftliches Universitätsfach in
Heidelberg. Nach der Berufung Schicks nach München trat 1896
Johannes Hoops die Nachfolge an und wurde 1902 erster Ordinarius für
Englische Philologie in Heidelberg.
Erst mit Hoops ist die Anglistik in
Heidelberg etabliert, wenn auch zunächst nur als Fach innerhalb des
Germanisch-Romanischen Seminars. Sie ruhte für lange Zeit auf wenigen
Schultern: Wie bei fast allen anderen Anglistiken des frühen 20.
Jahrhunderts bestand der Lehrkörper aus einem Ordinarius, der
Sprach-und Literaturgeschichte gleichermaßen bediente, sowie
einem Lektor, der nun regelmäßig englischer Muttersprachler war,
zugleich aber die Aufgaben eines Assistenten wahrnahm. Eine
wissenschaftliche Hilfskraft, der sog. Famulus, der dem
Ordinarius in Zeiten ohne Sekretariate und Bibliothekare
administrativ und bibliothekarisch zuarbeitete, vervollständigte die
Personalausstattung des Fachs. Erst 1941 kamen eine Assistentenstelle
und eine zweite Lektorenstelle hinzu. Zu dieser Zeit zählte die
Heidelberger Anglistik ca. 100 Studierende.
Unter Johannes Hoops erlebte die Heidelberger Anglistik einen enormen Aufschwung. Hoops war ein international angesehener Gelehrter, Begründer des Reallexikons der germanischen Altertumskunde (mit ca. 100 eigenen Beiträgen) und jahrzehntelanger Herausgeber der Anglistischen Forschungen, der Englischen Textbibliothek und der Englischen Studien. Hoops erfuhr zahlreiche Ehrungen, war Dekan und Rektor der Universität und Mitglied verschiedener nationaler und internationaler Akademien. Er betreute 75 Dissertationen, war bei Studierenden und Kollegen gleichermaßen geachtet, engagierte sich in seinen akademischen Funktionen und als Privatmann Zeit seines Lebens für die deutsch-amerikanischen Beziehungen und führte das Institut zu internationaler Anerkennung.
Hoops‘ Emeritierung fiel in die Zeit der nationalsozialistischen ‚Machtergreifung‘. Er selbst war - anders als sein Sohn Reinald, der sich in Freiburg habilitierte - der Infiltrierung mit nationalsozialistischem Gedankengut völlig unverdächtig: weder in seinen eigenen Arbeiten noch in den Dissertationen seiner Schüler, die er bis in die späten 40er Jahre betreute, ist eine Anpassung an die nationalsozialistischen Erwartungen einer rassisch-völkisch orientierten Philologie zu erkennen.
Sein Nachfolger, Harro de Wet Jensen
(1901-1999), war bei seiner Berufung 1936, die gegen den Willen der
Fakultät erfolgte, bereits seit vier Jahren in der NSDAP in
verschiedenen Funktionen aktiv. Zwar wurden ihm Geschick in der
Verwaltung und auch eine gewisse Begeisterungsfähigkeit in der Lehre
attestiert, aber schon seine Habilitationsschrift, in der Hitler in
einem Atemzug mit Shakespeare genannt wird, entlarvt Jensen als einen
Opportunisten. Man wird ihm wohl nicht Unrecht tun, wenn man
feststellt, dass seine häufige Abwesenheit - ab 1939 dann im
sog. ‚Kriegseinsatz‘ der Anglisten - größeren Schaden vom
Anglistischen Seminar fernhielt. Johannes Hoops, der sich
ansonsten loyal zu seinem Nachfolger verhielt, vertrat Jensen in
diesen Perioden, wann immer es seine rege internationale
Vortragstätigkeit erlaubte. Hoops konnte allerdings nicht
verhindern, dass die Anglistin Helene Richter, eine Wiener Jüdin,
der 1931 auf sein Betreiben hin die Ehrendoktorwürde der
Universität Heidelberg verliehen wurde, 1942 nach
Theresienstadt deportiert wurde.
Kurz nach Kriegsende wurde Jensen
aus dem Universitätsdienst entlassen, auch wenn er noch lange später
um seinen Lehrstuhl kämpfte. Hoops musste daraufhin noch einmal, mit
nunmehr 80 Jahren, vorübergehend die Seminarleitung übernehmen.
Nach langen fakultätsinternen Kämpfen trat schließlich
Hermann Flasdieck (der als Sprachwissenschaftler
unumstritten war) seine Nachfolge an. Flasdieck, der 1946 auf
den Lehrstuhl berufen wurde, war freilich nicht unbelastet und so
ging auch die Heidelberger Anglistik mit einer Hypothek in die
Nachkriegsjahre.
Erst mit den Berufungen der 60er
Jahre gelingt dem Anglistischen Seminar ein Neuanfang. Unter
diesen hat der von Flasdieck nach Heidelberg geholte Rudolf Sühnel,
der noch mit Ezra Pound und I. A. Richards bekannt war, zweifellos
die nachhaltigste Wirkung entfaltet. Geboren in Nottingham und
damit in England und Deutschland biographisch gleichermaßen
verwurzelt, vertrat Sühnel eine Anglistik, die sich in der Kultur
der Antike aufgehoben wusste. Obwohl bereits 1972 emeritiert,
war der allseits geachtete Doyen der Heidelberger Anglistik bis zu
seinem Ableben - kurz vor seinem 100. Geburtstag im Jahre 2007 - in
Universität und Institut präsent.
Mit den 60er Jahren setzte allgemein eine Periode des Ausbaus, der Binnendifferenzierung und der Ausweitung des Gegenstandsbereichs der Englischen Philologie ein, die bis heute anhält. Zunächst wurden sprachwissenschaftliche und literaturwissenschaftliche Lehre und Forschung getrennt, wenngleich die philologische Gleichberechtigung von Text und Sprache in Heidelberg zunächst in einer stark mediävistisch ausgeprägten anglistischen Linguistik nachlebte und auch später nie vollständig aufgegeben wurde. Innerhalb der Sprachwissenschaft erlebte die moderne Sprachwissenschaft unter dem Einfluss strukturalistischer Theoriebildung einen enormen Aufschwung. Zugleich entwickelten moderne und historische Sprachwissenschaft zunehmend ein eigenständiges Fach- und Methodenbewusstsein, wobei sich in letzter Zeit überall die Anzeichen mehren, dass zumindest diese Spaltung wieder überwunden werden könnte. In der Literaturwissenschaft ist zunächst die Ausgliederung der Amerikanistik aus der Anglistik zu verzeichnen. In der Folgezeit geraten mehr und mehr neuere englische Literaturen in den geographischen Horizont der Anglistik. Diese Literaturen, die zunächst unter dem Terminus Commonwealth Literature zusammengefasst wurden, werden heute meistens neutraler und zutreffender als New English Literatures bezeichnet. Zugleich werden verstärkt kulturwissenschaftliche Themen und Perspektiven in die Literaturwissenschaft integriert. Die radikale Bolognisierung der Universitäten mit ihren neuen, spezialisierteren Studiengängen wird den Prozess der Zergliederung einer sich immer mehr als ‚Weltanglistik’ verstehenden Disziplin vermutlich noch beschleunigen. Wohin er führen wird, ist bislang noch nicht abzusehen.
Heute hat das Anglistische Seminar zwei sprachwissenschaftliche sowie drei literaturwissenschaftliche Lehrstühle, davon einen mit amerikanistischem Schwerpunkt.
http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/hd/stadt/jesuiten1.htm
Ihren bildungspolitischen Reflex findet diese unklare Zuordnung etwa dadurch, dass Lehrer mit der Fächerkombination Englisch und Französisch noch lange nach dem 2. Weltkrieg als Neuphilologen geführt wurden, während solche mit Englisch und Deutsch als Germanisten oder Historiker galten (Finkenstaedt 1999: 392).